Michelle Steinbeck – eine ernsthaft gestörte Autorin?

Gedanken zur Lesung vom 15. Dezember 2016 in der Aula (12:30 bis 13:30) von Manuel Conrad

Zugegeben, Steinbecks Werk ist zumindest gewöhnungsbedürftig: Von einem toten Kind ist darin die Rede, das erst hinter einen Heizkörper geklemmt und schliesslich in einem Koffer verstaut wird, wo es die Erzählerin, einer schröderingerschen Katze gleich, gleichsam tot als lebendig durch den Rest des Textes begleitet. Von einem Vater wird erzählt, der weit entfernt auf einer unbekannten Insel haust und zu welchem die Erzählerin schliesslich im Bauche eines metaphorischen Walfisches gelangt. Gewöhnungsbedürftig, keine Frage.

Doch ist Steinbecks Erstling tatsächlich – wie die Literaturkritikerin Elke Heidenreich im September diesen Jahres im Literaturclub polterte – „grauenhaft, entsetzlich, unehrlich und konstruiert“? Leidet die erst 26-jährige Michelle Steinbeck tatsächlich an einer „ernsthaften Störung“? Oder hat Elke Heidenreich letztlich nur vergessen, dass der Autor seit Ende der 60er-Jahre gemeinhin als tot gilt, seine Intention also nicht nur unerheblich ist, sondern sein Werk gar nicht erst direkt auf ihn zurückgeführt werden kann und darf?

Wer jetzt neugierig geworden ist, sollte die Gelegenheit nutzen und sich anlässlich der Lesung vom Donnerstag, 15.12. um 12:30 selbst ein Bild von Michelle Steinbeck und ihren (grotesken?) Figuren machen – danach soll ein jeder selbst entscheiden, wer (und ob überhaupt jemand) als gestört gelten soll…

419lbg-kezl-_sx303_bo1204203200_Michelle Steinbeck: Mein Vater war ein Mann an Land und im Wasser ein Walfisch. Erschienen im Lenos-Verlag.